Die wahren Kosten der Kundenakquise
Wie viel kann Sie die Kundenakquise kosten?
Was hat Sie die Gewinnung Ihres letzten Kunden gekostet? Wissen Sie nicht? Dann geht es Ihnen wie den meisten in der Finanzdienstleistungsbranche.
Während es in anderen Branchen, insbesondere in Tech-Unternehmen, zu allem Zahlen und Auswertungen gibt, wird bei Geldhäusern und freien Anlageberatern in der Regel nicht Buch darüber geführt. Man weiß dort schlichtweg nicht, wieviel Geld man für die Akquise eines Kunden bzw. neuer Assets under Management eingesetzt hat. Das ist fatal! Denn wie soll man dann wissen, ob sich der Kunde, den man freudestrahlend gewonnen hat, auch „rentiert“? Oder ob man ihn „zu teuer eingekauft“ und die Energie, Zeit und Geld woanders besser investiert gewesen wäre.
Die Finanzbranche muss raus aus der reinen gefühlsmäßigen Akquise. Wir wollen daher vor allem Know-how vermitteln und ganz eindeutige Faustformeln an die Hand geben, um effizient und zielgerichtet das verwaltete Vermögen zu steigern. Sei es im Bestandskundengeschäft oder mit Neukunden.
Nehmen wir folgende Aufgabe: Sie wollen 1 Million Euro Net New Assets in einem Vermögensverwaltungsmandat, also frisches Geld, mit einer Marge von 1% p.a. gewinnen. Sprich 10.000 Euro im Jahr dazu erwirtschaften.
Dann haben Sie drei Möglichkeiten:
UpSelling im Bestandskundengeschäft
Soll heißen, Sie verkaufen Ihren schon bestehenden Kunden mehr von den Produkten, die diese bereits im von Ihnen verwalteten Depot haben, oder ein hochwertigeres/kostenintensiveres. Diese Form der Akquise ist die „einfachste“. Sie kennen bereits die Kunden, wissen wie sie ticken, haben Ihnen bereits etwas verkauft und im besten Fall haben diese guten Erfahrungen damit gemacht. Im Einzelhandel ist diese Maßnahme eine der wichtigsten Verkaufsstrategien. Sie ist sogar 20 Mal erfolgreicher als Cross-Selling.
Cross-Selling, ebenfalls im Bestandskundengeschäft
Cross-Selling bedeutet, Sie bringen den Kunden dazu, Produkte aus verwandten oder komplementären Bereichen zu kaufen. Zum Beispiel verkaufen Sie einem Kunden, der bisher nur ein Festgeld bei Ihnen hat, jetzt auch Investmentfonds.
Führt man sich vor Augen, dass laut Angaben der Deutschen Bundesbank die Deutschen Ende März 2019, 2,494 Billionen Euro in Einlagen und Bargeld horten, drängt sich Cross-Selling geradezu auf. Diese Assets bieten sich an, in ertragreichere Dienstleistungen umgeschichtet zu werden. Dazu müssen Sie allerdings wissen, wie Ihr Kunde insgesamt investiert. Hat er das Festgeld nämlich bei einer anderen Bank schlummern und Sie wissen nichts davon, werden Sie ihn nicht entsprechend bei einer Kampagne adressieren. Informationsakquise geht mit Cross-Selling also Hand in Hand.
Sie gewinnen einen neuen Kunden, der bei Ihnen € 1 Million anlegt. (Oder mehrere mit kleineren Anlagebeträgen)
Das ist im Vergleich zu den ersten beiden, die deutlich aufwendigere Strategie. Denn hier fangen Sie nicht nur bei null an, sondern es ist in Zeiten von Datenschutz und dem Verbot von Cold calls noch herausfordernder als früher. Aber mit Kreativität und Fleiß kann man auch hier erfolgreich sein. Beispielsweise mit einer interessanten Veranstaltung zu der Sie handverlesene Zielkunden persönlich einladen oder einer modernen Marketing-Kampagne. Machen Sie sich dabei bewusst: Wenn Sie aus einer Veranstaltung für 50 Gäste einen einzigen Neukunden gewinnen, kann das schon ein Erfolg sein!
Ob dieser Neuzugang wirklich die Mühe wert war, zeigt sich erst, wenn Sie im Nachgang die Kosten mit den Erträgen vergleichen. Womit wir beim zweiten wichtigen Punkt sind, dem Akquise-Controlling.
Wie gesagt, wird in der Finanzbranche Akquise leider nicht wirklich kontrolliert. Aber es gibt ein paar Informationen und Zahlen und Gesetzmäßigkeiten aus anderen Branchen, die auf die Finanzdienstleistung übertragbar sind.
CAC - Customer Acquisition Cost
Diese Kennzahl umfasst die gesamten Kosten, die im Zusammenhang mit der Akquisition stehen.
Wichtig ist, dass man hier ehrlich ist. Bei einer Veranstaltung zum Beispiel, enthalten die Kosten nicht nur das Catering, die Miete für die Räumlichkeit und das Porto für die Einladungen. Hinzu kommen die Arbeitsstunden, die in die Recherche der Adressen, die Location, die Formulierung der Einladung usw. und so fortgeflossen sind. Nicht zu vergessen ggf. die in Anspruch genommenen Ressourcen aus anderen Abteilungen.
Wieviel darf aber nun beispielsweise ein Neukunde, der 1 Million Euro in eine Vermögensverwaltung investiert kosten?
10.000 Euro. „Das ist aber ganz schön viel!“, werden Sie vielleicht denken.
Dass diese Zahl aber nicht zu hoch gegriffen ist und der Wahrheit sehr nahekommt, zeigt ein Experiment, das wir auf einer Fachtagung durchgeführt haben.
Über 50 Teilnehmer aus der Finanzdienstleistungsbranche wurden gefragt, wie hoch sie die Akquise Kosten für folgendes Neumandat einschätzen: 1 Million Euro in eine Vermögensverwaltung mit einer Bruttomarge von 1%, sprich einem jährlichen Ertrag von 10.000 Euro.
Die Spanne reichte von wenigen Euro bis zu 50.000 Euro. Der Durchschnittswert betrug 9.302 Euro, also knapp 10.000 Euro.
Dieses sogenannte Jelly Bean Experiment macht sich die Schwarmintelligenz einer Gruppe zu Nutze, um Wahrheiten heraus zu finden. Und die Wahrheit für Sie heißt: Ein solcher neuer Kunde kostet ca. 10.000 Euro.
Mit dieser Zahl im Hinterkopf kommen wir zum nächsten Schritt im Akquise Controlling: Erstes Ziel ist es nun, dass die Kosten für die Gewinnung (CAC) mit dem Ertrag, den man mit diesem Kunden im Laufe seines Kundenlebens macht (sog. Customer Lifetime Value - LTV), zumindest aufgewogen sind.
In Kurzform: LTV-CAC>=0.
In unserem Beispiel mit 1 Million Assets und 1% Marge, haben sich die Kosten nach einem Jahr amortisiert. Nicht lange, wenn man davon ausgeht, dass ein Kunde in der Vermögensverwaltung meist länger bleibt!
Und wann war die Akquise ein echter Erfolg?
In der Softwarebranche gilt es als wirklich erfolgreich, wenn man mit dem Kunden im Laufe der Kundenbeziehung drei Mal so viel verdient hat, wie die Gewinnung gekostet hat.
In unserem Beispiel sollte man den Kunden also drei Jahre bei der Stange halten, bzw. 30.000 Euro an ihm verdienen. Das scheint in diesem Segment doch durchaus machbar. Daher sollte Sie unser Beispiel durchaus zuversichtlich stimmen!
Fassen wir also die Erkenntnisse kurz zusammen:
Seien Sie ehrlich bei der Aufstellung der Kosten. Lügen Sie sich nicht in die Tasche, indem Sie Arbeitszeit und intern genutzte Ressource vergessen aufzulisten.
Kontrollieren Sie genau, ab welchem Punkt Sie mit einem Mandat ins Verdienen kommen. Stellen Sie dazu die (ehrlichen) Kosten dem Ertrag gegenüber. Gut ist, wenn man das Dreifache des eingesetzten Betrags verdient hat.
Umso schneller Sie die Gewinnzone erreichen, desto besser. Aber scheuen Sie nicht, auch höhere Beträge in die Gewinnung neuer Mandate zu investieren, wenn diese entsprechend hohe Erträge liefern.
Wie teuer Neukundenakquise im Finanzbereich ist, macht ein Beispiel aus dem Umfeld der Robo-advisor deutlich. Sie sind als Branchenneulinge komplett auf Neukundenakquise angewiesen.
Ein Robo-advisor kalkuliert mit 1.000 US$ Marketingbudget, um einen neuen Kunden zu gewinnen. Bei einem Durchschnittsdepot von 30.000 $ und einer kalkulierten Bruttomarge von 80 Basispunkten, muss ein Kunde dort vier ganze Jahre Kunde bleiben, nur damit sich die Kosten amortisieren.
Und von Erfolg kann erst nach zwölf Jahren gesprochen werden! Die wenigsten Kunden sind so loyal einem anonymen Dienstleister gegenüber.
Dennoch konnte der deutsche Branchenprimus 2019 abermals 25 Millionen Euro an Investorengeldern sammeln. Diese glauben also an das Geschäftsmodell. Und daran, dass das Unternehmen mit Up- und Cross-Selling, Empfehlungsmarketing und anderen Maßnahmen erfolgreich sein wird – und muss.
Für alle, die Bestandskunden haben, enthält unser Robo-advisor-Beispiel eine frohe Botschaft: Sie haben es besser als die! Denn Sie haben bereits Kunden und können mit diesen Pfunden wuchern. Unbelastet von den hohen Kosten der Akquise von null weg.
Aber sie beinhaltet auch den dringenden Appell, mehr aus den Beständen zu machen. Denn eine weitere Weisheit lautet: Wenn Sie 5-mal so viel an einem Kunden verdienen, wie er gekostet hat, dann geben Sie zu wenig für Akquise aus und lassen Geschäft liegen.
Konzentrieren Sie sich also auf Maßnahmen in der Bestandskundenakquise. Verwandeln Sie zumindest einen Teil der 2,5 Billionen Euro, die in Sichteinlagen versauern in ertragreiche Assets.
Setzen Sie dabei unbedingt auch auf digitale Angebote. Denn IT hat den großen Vorteil, skalierbar zu sein. Soll heißen, vom Aufwand und den Kosten her, macht es nur wenig Unterschied, ob man ein Tool einem, zehn oder hundert Sparern zur Verfügung stellt, um ihn zu der Überzeugung zu bringen, sein Geld um zu schichten.